Die Tage sind weit in den Mai gerückt und zweifelsfrei können wir die schöne Atmosphäre auf dem alten Sportplatz unter den Bäumen genießen. Allmählich verfliegen die Corona-Bedrückungen und nach und nach normalisiert sich der Übungsbetrieb und vor allem der Umgang miteinander.
Yoga ist wohl nur im Freien an seinem rechten Ort: Die Verbindung von Mensch und Natur wird unmittelbar: Sauerstoff ausatmen und CO2 einatmen ist das Teil der Pflanzen, die äußerlich grün sind. Dagegen ist CO2 ausatmen, aber Sauerstoff einatmen das Teil der Menschen (und vieler Tiere), die innerlich – im Blut – rot sind. Ein interessanter Zusammenhang: Zwischen rot und grün, innen und außen, zwischen Flora und Fauna pendelt der Gasaustausch. Geben und Nehmen befinden sich in lebenserhaltendem Kreislauf und Gleichgewicht. Das aufeinander Bezogen-Sein ist Symbol und Realität: Das Molekül des Blattgrüns (Chlorophyll) und das Molekül des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin) sind bis auf ein einziges Atom, oder genauer, ein einziges Ion völlig gleich: Wo das rote Hämoglobin ein Eisenion (Fe2+) in seiner Mitte umfaßt, sitzt im grünen Chlorophyll ein Magnesiumion (Mg2+). Was die Pflanzen ausatmen, atmet Mensch und Tier ein; was Mensch und Tier ausatmen, atmen die Pflanzen ein.
Auf die Bedeutung des Atems in der Yogaübung haben wir schon hingewiesen. Im Yoga gehören Bewegung und Ruhe zusammen, Ausatmen und Einatmen sind von zentraler Wichtigkeit für die Strukturierung der Übungen; aber auch Atmen und Nichtatmen sind bedeutende Pole des yogischen Prozesses.
Das Nichtatmen oder Atemanhalten nennt man im Sanskrit, der Fachsprache des Yoga, „Kumbhaka“. Es gibt drei Arten von Kumbhaka: Bahya Kumbhaka (Atemanhalten nach Ausatmung), Antara Kumbhaka (Atemanhalten nach Einatmung) und Kevala Kumbhaka. Das ist ein neutraler Zustand der Atmung, in dem der Atemvorgang in einem Schwebezustand zwischen Ein- und Ausatmung Ruhe findet.
Kumbhaka kann also nicht nur nach voller aus- oder Einatmung erfolgen, sondern auch bei sehr ruhigen subtilen Atemmethoden Anwendung finden. Dann ist es nur die beschriebene stille Pause nach der Ein-oder Ausatmung, die wir als leichten Übergang in der Vier-Phasen-Atmung praktizieren.
Antara Kumbhaka, das Atemanhalten nach der vollen Einatmung, bewirkt eine Ausdehnung des Rumpfes, insbesondere der Lungen und der Atemhilfsmuskulatur. Antara Kumbhaka erhöht den Druck, aber auch das Energiepotential im Körperinnern. Es erweitert als (vorsichtig und umsichtig angewandte!) „innere Dehnübung“ den Atemraum. Die Antara-Atempause kann man meist über längere Zeitabschnitte mühelos halten. Trotzdem ist es mit Maß und Ziel anzuwenden, wie Atmung überhaupt ein delikates Thema ist, an das man mit Verstand, Körpergefühl und viel innerer Sensibilität herangehen muß.
Die zweite Methode, das Bahya Kumbhaka, erfolgt nach voller Ausatmung und wird in der Regel durch sogenannte Bandhas, das sind innere Haltespannungen bestimmter Muskelgruppen, gestützt. Dieses Atemanhalten bewirkt eine Leere im Rumpf, erzeugt ein Gefühl von Kontraktion, von Leere und Leichtigkeit. Es fördert die Entgiftungsprozesse im Körper und wirkt beruhigend und klärend auf die mentale Verfassung.
Kevala Kumbhaka schließlich führt in die tiefe Meditation. Nichts wird erzwungen, wie generell bei den Atemanhaltemethoden nichts erzwungen werden darf. Beim Kevala Kumbhaka wird das gesamte Atemsystem entspannt, alles kommt zur Ruhe, alles löst sich. Der Übende beobachtet gelassen den schwebenden Zustand zwischen Ein- und Ausatmung, der solange dauert, bis der Körper den Atemfluß fortsetzt. Es ist das typische Atemfülle- bzw. Atemleeregefühl bei der Vier-Phasen-Atmung, die auch im QiGong eine wichtige Rolle spielt. Kevala Kumbhaka erzeugt eine friedvolle Geistesverfassung und beruhigt vor allem das gesamte Nervensystem. Das Wort Kevala bedeutet: „eigenschaftslos, rein“ und zugleich „vollständig und vollkommen“. Kevala Kumbhaka weist auf den der Zustand tiefer Meditation hin, in dem der mentale Geist zur Ruhe kommt, das Denkkarussell ausläuft und das klare, gedankenbefreite Bewußtsein zutage tritt.
Termin: Donnerstags, fortlaufend.
Zeit: 17:15 – 18:30 Uhr
Ort: Alter Sportplatz Balzfeld (R4)
Leitung: Andreas F. Albrecht, Übungsleiter für Yoga, QiGong- und Kampfkunstlehrer, Entspannungspädagoge.